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Germanische Mütterverehrung
Bedeutung einer neuen Untersuchung von H. Chr. Schöll
für die Heimatforschung





Aus: Heimatblätter, Beilage zur Dürener Zeitung, 13. Jahrgang, Nr. 25 vom 10. Dezember 1936





Viel Überraschendes bringt das im Eugen Diederichs=Verlag erschienene Buch von H. Chr. Schöll „Die drei Ewigen“ über einen germanisch bäuerischen Mütterkult, der sich in manchen Bräuchen, Namen und Darstellungen noch in die heutige Zeit hinüber gerettet hat, allerdings nun meist im christlichen Gewand. In manchen Urkunden und auf manchen Bildwerken werden uns die Namen der drei heiligen Frauen oder Jungfrauen Ambet, Wilbet und Borbet genannt, oft verderbt und noch öfter umgetauft; viel verehrt, obschon von ihrer Geschichte nichts Sicheres bekannt ist, und besonders gerne in Nöten des Leibes, des Lebens um Fruchtbarkeit angefleht.

Wußte man bisher keine rechte Erklärung für diese Namen und diese Gestalten, die in grauer Vergangenheit zurückwiesen, so hat H. Chr. Schöll hier eine neue Lösung gefunden, die, wenn sie den genauesten Forschungen standhält, allerdings eine Fülle von Einsichten, Klarheiten und Anregungen vermittelt. Der Verfasser leitet die gleichförmige Endsilbe dieser drei Namen „Bet“ vom keltischen „bit-u“ gleich „ewig“ ab und sieht so in den „drei Beten“ die Verkörperung des ewigen Lebens, das sich auf dieser Welt im Werden, Vergehen und Erstehen sei es der Natur, sei es der Sippe offenbart. - „Am-bet“ bezieht er dann weiterhin auf das keltische „ana“ gleich „Erde“ und das altirische „an-u“ gleich „Göttermutter“, so daß Ambet dann die „Göttliche Mutter Erde“ sein würde. - Bei „Wil-bet“ erscheint die erste Silbe im englischen „wheel“ gleich „Rad“ oder „Scheibe“ und im niederdeutschen „waal“ gleich „Vollmond“ wieder; so wäre also Wilbet die „Mondmutter“. Leicht kommt er dann vom keltischen „borm“ gleich „warm“, „leuchtend“ für „Bor-bet“ zur mütterlichen Sonnengottheit. Daß all diese Erklärungen aus dem Keltischen hergeleitet werden, dürfte allerdings die unbedingt germanische Herkunft dieser Gottheiten in Frage stellen, der Verfasser geht in diesem knappen Ueberblick an diesem Problem vorbei. Doch scheint ihm die weite Verbreitung von Symbolen, Darstellungen und Sagen dieses Kreises in Deutschland, wenn auch aus späterer Zeit, die Gewißheit für seine Meinung zu bieten. Sehr interessant sind vor allem die vielen Ableitungen aus diesen drei Namen, zumal als Orts- oder Flurnamen, und dabei erwähnt er auch mehrfach Orte des Kreises Düren.

Von der „Mondmutter“ Wilbet stammen nach Schölls Ansicht außer vielen Eigennamen (z. B. Wilfried, Wilhelm usw.) auch zahlreiche Ortsnamen, so vor allem aus unserer Heimat Frauwüllesheim und Bilstein. Dazu kämen noch die Ortsnamen mit der Endung „weil“ und „weiler“, „soweit sie nicht vom lat. villare abgeleitet werden müssen“. Diese Erklärung für die eben genannten Orte verlangt jedenfalls einmal Berücksichtigung. Wenn auch manches einmal Berücksichtigung. Wenn auch manches an dieser Untersuchung Schölls recht gewagt klingt und besser belegt werden muß - was der Verfasser sich für kommende Schriften vorbehält - so soll man doch jetzt schon sich mit diesen ebenso reizvollen wie bedeutenden Fragen befassen, damit die Klärung überall erfolgt und sich bald schon Sicheres vom Ungewissen scheiden läßt.

Auf die Fülle der Hinweise kann hier nicht eingegangen werden, wohl auf das, was unsere Heimat betrifft. So besonders noch, daß Schöll den Ort Müddersheim auch mit diesen Müttern zusammenbringt, zumal weil hier auch Matronensteine, die ersten Darstellungen dieses Kultes, gefunden worden sind. Es ist einleuchtend, wie er die unerklärlichen turbanförmigen Kopfbedeckungen der jeweils außen sitzenden Matronen mit den Strahlenscheiben von Sonne und Mond gleichsetzt. - Mit dem dritten Jahrhundert nach Christus ist dann die Darstellung und offene Verehrung der Mütter verschwunden, doch geistern sie immer noch in der Folgezeit in Sagen und dunkel angedeutet in macher Predigt umher bis wir dann im hohen und späten Mittelalter wieder auf sie stoßen, nachdem sie aus langer Vergessenheit unbewußt wieder auftauchen als drei unbekannte heilige Frauen oder Königstöchter, wie in Worms als S. Embede, S. Warbede und S. Willebede oder unter neuen Namen als Perpetua, Felicitas und Magdalena, schließlich aber als Personifikationen St. Fides, St. Spes und St. Caritas.

Im späten Mittelalter nun verlangt das gläubige Volk wieder besonders nach mütterlichen Heiligen, und außer der Marienverehrung als Gottesmutter und Mutter der ganzen Christenheit dient dazu vor allen Dingen die um 1500 riesig anwachsende Verehrung der heiligen Mutter Anna. (1501 kam bekanntlich die Reliquie nach Düren.) In der auch in unserer Gegend oft vorkommenden Darstellung der „Anna selbdritt“ sieht Schöll wieder eine dunkle Erinnerung an jene vorchristliche Mutterdreiheit.

Es sind also in diesem Werke viele Hypothesen, viele Andeutungen, viel Ueberzeugendes und auch manches Unsichere. Für den Heimatforscher aber bietet es wichtige Anregungen, die nicht unbeachtet bleiben sollten.

d.





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