Karmantan.de
Badua




Matronenverehrung ein uralter Kult von Dr. Josef Bierekoven

Keine Literatur des Altertums, auch nicht die römische, berichtet über den in Westeuropa einst weit verbreiteten Matronenkult. In den rheinischen Landen, besonders Auch hin unserer engeren Heimat, muß er einmal in hoher Blüte gestanden haben. Die vielen Matronensteine, an den verschiedensten Orten gefunden, beweisen es. Ein Teil derselben befindet sich in den Landesmuseen Bonn und Trier, andere sind an ihren Fundorten verblieben oder Bestandteile der Heimatmuseen geworden.

Bei diesen Steinen handelt es sich meistens um leicht zu bearbeitenden hellen Kalkstein oder gelben und roten Sandstein. Ihre Formen sind verschieden. Viele haben eine Höhe von etwa 70 cm. Sind 50 bis 60 cm breit und bis zu 20 cm dick. Manche zeigen nur eine eingemeißelte Inschrift, andere außerdem noch eine plastische bildliche Darstellung.

Aus dem Inschriftentext in lateinischer Sprache ersieht man, daß es sich vielfach um die Erfüllung eines Gelübdes handelt. Die Steine waren deabus (den Göttinnen) oder matronis (den Müttern) geweiht. Drei verschiedene Benennungen kommen für diese vor: matronae, was Stammes- oder Sippenmutter heißt, matres, im Lateinischen Mütter bedeutend, und matrae, die wohl aus dem keltischen matar (Mutter) entstanden ist.

Die meisten der bisher gefundenen mehr als 400 Steine stammen aus der Zeit von 100 bis etwa 280 n. Chr. Vereinzelte reichen in die Regierungszeit des römischen Kaisers Caligula (32 bis 41 n. Chr.) zurück.

Von den über 60 Fundstellen in den Landen am Rhein liegen 6 an Erft und Swist, 24 zwischen Erft und Rur nördlich Nettersheim und Pesch bis etwa nach Liblar und 10 um Jülich herum.

Die Anhäufung der Fundorte zwischen Erft, Rur und Rhein, also im Gebiet der von den Römern dort angesiedelten, aus dem Sieg-Lahn-Gebiet herkommenden Ubier ist auffallend. Sie ließ die Vermutung aufkommen, es handele sich bei der Matronenverehrung um einen von diesen mitgebrachten Kult.


Matronenstein: MATRONIS AVFANIABVS
Foto: Kreisarchiv

Aber die Mütterverehrung ist kein germanischer oder römischer, sondern ein keltischer oder gar vorkeltischer Brauch. Wenn erst zur römischen Besatzungszeit die Denksteine entstanden und mit Inschriften in lateinischer Sprache versehen wurden, dann ist der Grund in der überlegenen Bildhauerkunst der Römer zu suchen. Nach dem Bericht des römischen Feldherrn Caesar kannten die Gallier griechische Buchstaben, die sie für öffentliche und private Geschäfte benutzten. Der hl. Hieronymus weiß zu erzählen, die Galater in Kleinasien, denen der hl. Apostel Paulus einen Brief schrieb, hätten die gleiche Sprache, also die keltische, wie die Treverer an der Mosel. Daß es die Römer waren, die den Anstoß für die Herstellung der Matronensteine gaben, erkennt man daraus, daß in Irland, wohin sie nicht kamen, keine derartigen Monumente gefunden wurden, obwohl die Verehrung von drei Göttinnen in ähnlicher Form auch auf dieser Insel nachgewiesen ist.

Die Reliefdarstellungen zeigen in vielen Fällen drei Frauengestalten, von denen zwei runde Kopfbedeckungen haben. Sie tragen lange Wollkleider und darüber einen von einer Spange gehaltenen weitärmeligen Mantel. Auf den Knien haben sie Körbe mit Früchten oder sonstigen Opfergaben, vereinzelt auch Kinder wie z. B. in Autun und Nuits (Frankreich).

Was bedeuten nun diese drei weiblichen Gestalten, die meistens sitzend, zuweilen auch stehend dargestellt sind?

Gehen wir zum besseren Verständnis in der Menschheitsgeschichte einmal einige Jahrtausende zurück.

Zur der Zeit, als die Menschen noch keine festen Wohnsitze kannten, sondern nomadisierten, waren die Männer Jäger. Sie durchstreiften die Wälder und erlegten mit ihren primitiven Waffen wie Steinen, Schleudern und steinbespitzten Speeren Kleinwild, Füchse, Schneehasen, auch den Bison und Auerochsen. Sie sorgten also für die tierische Nahrung.

Die Frauen sammelten Wurzeln, Knollen ,Beeren und Körner. Sie sorgten für die pflanzliche Nahrung. Der Frau war es vorbehalten, den Weg vom Sammeln zum Pflanzenanbau zu gehen. Sie war es, die zuerst den Versuch machte, Samen oder Körner in den Boden zu legen, um so größere Mengen dieser Nahrungsmittel müheloser erhalten zu können. Die Frauen sind die eigentlichen Erfinder des Ackerbaus. Sie erfanden auch das Flehten und Weben sowie die Herstellung von Tongefäßen. Sie waren es, die die Grundlage zur Seßhaftmachung der Menschen schufen.

In dieser Entwicklungsstufe galt deshalb die Frau als die Besitzerin des Bodens, der Vorräte, Ackergeräte usw. Sie übertrug oder vererbte das Besitztum. Ihr gehörten auch die Kinder, während deren Väter wieder als Kinder zur Familie ihrer eigenen Mutter rechneten. Auf diese Weise entstanden die sogenannten Großfamilien, in denen die älteste Frau zu sagen hatte. Als Ahnfrau oder Urahne nahm sie eine überragende Stellung ein. Das Zeichen des Halbmondes, an einem Reifen um den Hals getragen, war ihr Herrschaftssymbol. Diese besondere Machtstellung der Frau, als Mutterrecht bezeichnet, war es, die sie zur Priesterin und Schamanin (Zauberin) werden ließ und sie mit einem fast göttlichen Nimbus umgab. So wurden dann auch göttliche Wesen personifiziert durch die Frau oder Matrone dargestellt.

Nicht ohne Einfluß der Frauen ist aber dieser Kulturkreis auch zu den blutigsten geworden, in dem Kopfjagd, Menschenopfer und Kannibalismus ihren Anfang nahmen.

Hier interessiert es uns nur, ob auch die Kelten noch mutterrechtlich organisiert waren. Diese Frage ist auf jeden Fall zu verneinen, auch dann, wenn die Frau im gesellschaftlichen Leben eine besonders hohe Stellung innehatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat die Bevölkerung der Jungsteinzeit (3000 bis 1800 v. Chr.) wie die meisten agrarischen Völker der Frühzeit das Mutterrecht noch gekannt. Es gibt bei den Kelten aber zahlreichere und deutlichere Spuren einer ehemaligen matriarchalen Gesellschaftsordnung als bei den Germanen. Bei beiden Völkern finden sich jedoch genügend Anzeichen dafür, daß eine vaterrechtliche Struktur eine mutterrechtliche der Vorbevölkerung abgelöst hat.

Kehren wir zurück zu den Matronensteinen. Auf diesen werden die Mütter mit bestimmten Namen bezeichnet. Von einem Großvolk wurden offenbar die MATRONAE OLLOTOTAE verehrt, deren Name auf einer Inschrift in Bichester, nördlich Oxford, vorkommt. Einige sind als Völkernamen kenntlich wie die MATRES PANNONIORUM et DALMATARUM und die MATRES ITALAE. Andere könnten als Völkernamen deutbar sein, darunter die M. GALEICAE, BRITANNAE oder GERMANAE. Lediglich von einzelnen Völkerstämmen wurden verehrt die MATRONAE FRISAVIAE, TREVERAE, die MATRES SUEBAE und ähnliche. Die meisten Benennungen sind uns aber unverständlich. Es handelt sich um keltische oder altgermanische Großfamiliennamen. Zuweilen sind sie ähnlich oder gleichlautend mit den Bezeichnungen der Gegend, wo die betreffende Familie ihren Wohnsitz genommen hatte, oder sie nehmen Bezug auf Berge, Flüsse, Wälder oder Seen. Die NERSINHAEA dürften die Anwohner der Neers, jetzt Niers genannt, gewesen sein, ohne daß nun gesagt werden kann, ob die Neers nach den Nersinheae benannt wurde oder umgekehrt. Die meisten Namen sind jedoch für uns nicht zu deuten. Manche wurden zu einer örtlichen Bezeichnung. So scheint es sicher zu sein, daß z. B. von den „Matronae Alibiniahae“, von denen vier Weihesteine auf dem Heidenfeld zu Elvenich gefunden wurden, auch der Name dieses Ortes herstammt. In Lechenich fand man einen Stein, auf dem die Matronae Lanehiae genannt sind. Zu Sinzenich wurde ein Weihestein der Tummaestischen (Tummaestae) Mütter gefunden, die sicherlich mit Thum etwas zu tun haben.

Die immer wieder gemachten Versuche, die Namen mit lateinischen Wörtern in Verbindung zu bringen, führen zu keinen brauchbaren Ergebnissen.

Ein in Zülpich gefundener Votivstein der Matronae Cuchinheae steht sicherlich in keiner Beziehung zu Kuchenheim, eher wohl zu Geich, und ob die Vacalinhaea, die zwischen Euskirchen, Wachendorf und Lessenich bekannt sind, als Kuhheilige nach dem lateinischen Wort vaca (= Kuh) anzusehen sind, ist durchaus nicht bewiesen.

Es gibt allerdings auch Ortsbenennungen, die noch auf einen Matronenkult hinzuweisen scheinen. Fast den ganzen Lauf der Swist entlang bei Heimerzheim, Auf dem Hohn, in Lützelmiel und von Kirchheim bis Weilerswist wurden die Matronae Gabiae, auch Alagabiae, verehrt. Vier ihrer Denksteine fand man in Rövenich, einen in Müdersheim. Die Bezeichnung Gabiae kommt nach Ansicht der Sachverständigen von dem keltischen Wortstamm „gab“ und dem altgermanischen „gib“, das geben oder spenden bedeutet. Nun befindet sich auf einem Berg unmittelbar bei Weilerswist das Swistertürmchen. Der Bergrücken, auf dem es steht, führt die Bezeichnung Gapgey (Gabgey), was wohl den Bezirk der gabischen, der spendenden Mütter bedeutet. Bei Ausgrabungen neben dem Turm hat man z. Z. die Grundmauern eines viereckigen Tempels römischer Bauart freigelegt. Es wird vermutet, daß dort später neben dem Standbild einer römischen Gottheit die Weihesteine an die Gabiae aufgestellt wurden und daß daselbst eine größere Opferstätte war, zu der die unter dem Schutz dieser Matronen stehenden Familien wallfahrteten.

Dieser Kult wurde von den Römern nicht unterbunden, sie haben ihm zuweilen sogar selbst gehuldigt. Rechts vom Kirchturm in Meckenheim stand ein Stein, den der Römer Marcus Pompeius Paternus für die einheimischen Mütter, die Matronae Fenovinehae, schenkte, Die unter dem Bonner Münster gefundenen Steine verraten, daß zu den Spendern der Legionspräfekt T. Statilius Proculus, der Stadtkämmerer von Köln Vettius Severus und der Stadtrat Claudidinus Verus gehörten.

An den Körben mit Früchten erkennt man, daß die Matronen als Fruchtbarkeitsgöttinnen galten. Einen alten Kult fortführend saßen zur Römerzeit noch an bestimmten Götterfesten drei Frauen wettergeschützt auf einer Bank und nahmen Opferspenden in Empfang. Skizzen solcher Opferszenen haben dann römischen Steinmetzen als Vorlage für die Ausarbeitung der Matronensteine gedient.

Gegen Ende des 4. Jahrhunderts mußten die Römer den von Norden vordringenden germanischen Franken das rheinische Gebiet kämpfend oder vertragschließend überlassen. Damit verschwand die bis dahin geltende römische Staatsreligion, keltische Kulte und die Anfänge des Christentums zurücklassend.

Auch die Kölner Bischofsliste reißt mit dem Abzug der Römer ab. Als letzter der Bischöfe wird darauf Severinus genannt und dann klafft eine Lücke von fast 170 Jahren. Das junge Kölner Bistum hat zwar weiterbestanden, aber damals rekrutierten sich seine Bischöfe bis etwa zur Mitte des 6. Jahrhunderts aus der einheimischen Mittelklasse der unterdrückten und unfreien romanischen Bevölkerung, die bei den neuen Landesherren kein oder nur geringes Ansehen genoß.

Seit dem Siege Clodwigs über die Alemannen im Jahre 496 gingen die Franken, dem Beispiel ihres Königs folgend, zum Christentum über, zuerst die salischen im Paris-Reimser Gebiet und dann auch die ripuarischen im Kölner Bezirk. Die Bischofsliste setzt wieder ein mit Evergisel, dem Vertrauensmann des Königs Childebert II. und seiner Schwiegermutter Brunichildis, † 613. Mit ihm und seinen Nachfolgern Solatius, Senovius und Kunibert übernahm der fränkische Adel die Führung der Kölner Kirche. Er war es, der gestützt auf die Königsmacht die endgültige Ausrottung der alten Götterkulte übernahm und dieses Werk mit Gewalt und Zähigkeit vorantrieb.

Auf dem flachen Lande setzte die Christianisierung erst am Ende des 6. Jahrhunderts ein. Dabei wurden die heidnischen Götterbilder vernichtet. Man schlug ihnen die Köpfe ab oder zertrümmerte das Gesicht. Gleiches Schicksal erlitten auch die Matronendarstellungen, von denen viele einer wilden Zerstörungswut zum Opfer fielen.

Der Schlag ins Gesicht oder die Zertrümmerung des Kopfes hat zweifellos dem alten Götterkult ein Ende bereitet. Er reichte aber nicht aus, auch den Matronenkult zum Erliegen zu bringen. Die Bezeichnung Matronen ist zwar verschwunden. Ihre Weihealtäre wurden zum größten Teil zerstört oder von den Franken als Grabumrandungen und Baumaterial benutzt. Doch bald schon tauchen wieder drei Frauengestalten, zwar in veränderte Haltung und unter anderen Namen, jetzt aber als Heilige in den christlichen Gotteshäusern auf. Sonderbarerweise finden sie sich kaum in den Pfarrkirchen, sondern fast nur in Kapellen und Filialkirchen, und auch dort erscheinen sie nicht als Patrone. Wie weit die christlichen Bekehrer in den Gegenden des Matronenkultes diese als Volksheilige in ihr Bekehrungswerk hineingenommen haben, entzieht sich unserer Kenntnis. Schon Papst Gregor I., der Große (590 - 604), der nachhaltigste Erzieher der germanischen Völker, kannte deren geistigen und sittlichen Hochstand und ordnete an, daß die Glaubensboten im allgemeinen auf die seelisch-geistige Einstellung der Heiden Rücksicht zu nehmen hätten. Nicht alles, was völkisches Brauchtum sei, dürfe zerstört werden. Man solle versuchen, möglichst alle Gebräuche den christlichen Anschauungen anzugleichen.

Die christliche Kirche hat dann diesen sonderbaren Frauengestalten auch Namen gegeben und sie als solche weitergeführt. Diese Namen sind Fides, Spes und Caritas (Glaube, Hoffnung und Liebe). Nach der Legende hießen so die drei Töchter der hl. Sophia (Weisheit), die im Alter von 12, 10 und 8 Jahren unter Kaiser Hadrian (117 - 138) für ihren Glauben starben. Wir finden sie in manchen Eifelorten, vor allem aber in ihrem Hauptzentrum Köln und im Jülicher Land.

Wohl der älteste bisher bekannte urkundliche Beweis für ihre Verehrung unter diesen Namen zugleich aber auch ein Zeichen für ihre damalige Bedeutung, fand sich in einem 1022 konsekrierten Altar in Bettenhoven bei Oberembt, Kreis Jülich. Es ist ein Bleisiegel des Kölner Erzbischofs Pilgrim und hat einen Durchmesser von 4,6 cm. Auf der Vorderseite ist das Brustbild des Bischofs mit Stab und Buch und der Umschrift „PILGRINUS DI GRATIA ARCHIEPS“. Auf der Rückseite zeigt es drei weibliche Gestalten, die durch Beischriften als Fides, Spes und Caritas kenntlich gemacht sind. Die Umschrift lautet: „SANCTA COLONIENSIS RELIGIO“, die man vorsichtig mit „Gegenstand der Verehrung in Köln“ übersetzt hat. Das Fundstück befindet sich heute im Kölner Diözesanmuseum.

Kurz hinter der deutsch-luxemburgischen Grenze an der Straße von Vianden nach Roth erblickt man rechts auf der Felswand eine Bildgruppe der 3 Jungfrauen Fides, Spes und Caritas. Nach der Überlieferung sollen die heidnischen Vorfahren dort Bilder der Schicksalsgöttinnen Urd, Verdendi und Skult angebracht haben, die in frühchristlicher Zeit durch die vorgenannte Bildgruppe ersetzt wurden (erneuert 1898). Als Nebenpatrone von Kirchen finden wir sie z. B. in Geichlingen (Steinfigur aus dem 19. Jahrh.), in Hermesdorf, Metternich, Lanzerath und Gondelsheim mit Gemälde aus dem 18. Jahrhundert und Glocke von 1599. Ferner tragen Glocken von Gillenfeld (1465) und Eckfeld (147) ihre Namen. Zu Ulfingen im Luxemburger Land werden sie verehrt und im Heiligenhäuschen von Greinsbrunnen zu St. Quirin befindet sich ein Relief, auf dem 3 Jungfrauen quer auf einem Esel reitend dargestellt sind. Es steht einwandfrei fest, daß die Verehrung der drei weiblichen Gestalten unter verschiedenen Namen in der Eifel, besonders bei Bitburg, Prüm und Mayen, gebräuchlich wurde und auch heute noch lebendig ist. So sind auf Eifeler Böden bekannt die 3 Jungfrauen von Auw an der Kyll, die, wie die Sage berichtet, durch einen Sprung über den Fluß errettet wurden.

In unserer engeren Heimat hat sich ihre Verehrung in Thum, Sistig, Kalterherberg, Brauweiler, zwischen Miel (plastische Darstellung) und Oberdrees sowie in Weilerswist erhalten.

Bis zum Jahre 1914 zogen die Gilsdorfer (bei Bonn), die Flerzheimer und Witterschlicker in Prozessionen zum Swistertürmchen und beteten für eine gute Ernte, wie auch die jungen Mädchen dahingingen, um einen Mann zu bekommen. Noch 1826 haben die Standbilder der 3 Jungfrauen auf der Gabgey gestanden. Heute befinden sie sich in der Kirche zu Weilerswist.

An anderen Orten überdauerten die Müttergestalten das christliche Zerstörungswerk. Dort behielten sie ihre angestammten Namen bei. Man hat sie kurzerhand übernommen und setzte nur ein „Sankt“ davor. So heißen die drei weiblichen Gestalten in der Klosterkirche zu Frauweiler bei Bergheim St. Einbet, St. Worbet und St. Wilbet. Unter den etwas verschiedenen Bezeichnungen wie An-, Am- und Einbede, Bor-, Wor- oder Gwerbet, sowie Vil, Wil- oder Willibet erscheinen sie besonders häufig im Kölner Bezirk und im Oberrheingebiet. Auch in der keltogermanischen Hauptstadt der Burgunder fand man bei Renovierungsarbeiten in einer Seitenkapelle des Wormser Domes ein gotisches Steinrelief mit 3 weiblichen Figuren, deren Namen vom Bildhauer eingemeißelt waren, S. Einbede, S. Warbede, S. Wilibede.

Als sich in jüngerer Zeit mehrere namhafte Forscher mit dem Studium des Matronenkultes befaßten, führten gerade die letztgenannten Namen zu überraschenden und sehr interessanten Ergebnissen.

Die Ein- und Ambet (Anabet) muß eine hochbedeutende Göttin der Erde gewesen sein. In Irland, wohin, wie bereits gesagt, die Römer nicht kamen und wo sich deshalb die keltische Kultur weitgehend am reinsten erhalten hat, finden sich dafür durchaus sichere Beweise.

So sagt das Sanas Cormaic: Ana i Mater deorum Hibernensium; Rabo maith didiu robiathad deos, de cuius nomine ana - i - imed.“

Ana wird also die Mutter der irischen Götter genannt, und zwar der Tuatha de Dannan, die nach der Sage kurz vor der letzten Besiedlung Irlands auf dieser Insel angelangt waren und ihre Schiffe hinter sich verbrannt haben sollen. Sie ernährt die Götter, was auf ihre Funktion als Göttin der Fruchtbarkeit hindeutet. Noch klarer geht das aus der Überlieferung hervor, die sich auf die beiden Hügel bei Killarney, etwa 20 km ostwärts der Dingle Bay gelegen, bezieht. Darin werden diese als Da Chich Anann bezeichnet, was die Brüste der Ana bedeutet. Damit wird unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie die Mutter Erde ist, die der Grafschaft Munster Fruchtbarkeit und Wohlstand verleiht. Aber nicht nur die Grafschaft allein soll durch sie fruchtbar sein, sondern ganz Irland. Deshalb wird die ganze Insel auch “iath Anann“ genannt. Die Göttin Ana entspricht also der alten indoarischen Vorstellung von einer Magna Mater, der großen Mutter Erde, worin zwei Begriffe enthalten sind, nämlich Erde und Göttermutter.

In dem zweiten Namen Borbet tritt uns „bor“ als erste Silbe entgegen, und damit werden wir hingewiesen auf eine keltische Göttergestalt Borvo oder Bormo. Bor heißt warm oder heiß und hat sich in manchen Bezeichnungen für Orte mit warmen Quellen erhalten, von denen Bourbon in Mittelfrankreich der bekannteste ist. Daneben kenne wir Bourbon - Lancy, Bourbon l'Archambault, Bourbonne les Bains und andere. Auch de Name des in der Nähe von Zülpich gelegenen Bürvenich soll von Borvo abzuleiten sein.

Der Beiname der Gottheit ist klar. Man bringt das Wort auch in Verbindung mit dem irischen berbain oder dem lateinischen fervere = kochen und bezieht den Namen dann auf die dampfenden heißen Quellen.

Der in Aachen als Gott der warmen Quellen verehrte Apollo trug neben Grannus und Belenus (der Glänzende) die Beinamen Borvo und Bormo. Nun ist ja der in Gallien vorkommende Apollo in der römischen Götterwelt ein Fremdling. Sein Vorbild, den aus Vorderasien stammenden Apollon, hatten die Römer schon in der Kaiserzeit über die Etrusker kennengelernt. Er galt als eine Lichtgestalt, als ein richtiger Sonnengott, der nebenbei noch mit den musischen Künsten verbunden war. Daher erklärt sich auch sein Beiname Borvo = strahlend und warm. Die Silbe „bor“ ist fast gleichbedeutend mit dem altenglischen beorth = glänzend oder strahlend, dem mitteldeutschen berth und dem althochdeutschen perahta, aus dem sich die Namen Bertrada, Berchta, Perchta und Berta entwickelten. Alle heißen soviel wie die Lichte oder die Strahlende. Die Borbet ist demnach eine Personifizierung der Sonne, die den Menschen und der Erde Licht und Wärme spendet.

Die erste Silbe des ebenfalls vorkommenden Namens Gwerbet stammt von der indogermanischen Wurzel guher ab, die soviel wie heiß und warm bedeutet.

Der dritte Name Wilbet oder Wilibet weist nach Ansicht der Wissenschaftler auf etwas Rundes hin. Sie bringen die Silbe „Wil“ in Zusammenhang mit dem mittelhochdeutschen Wel = rund und dem englischen wheel = Rad, dem niederländischen wiel, das ebenfalls Rad bedeutet, oder dem niederdeutschen Waal, worunter man eine runde Scheibe versteht.

Jedenfalls kommt man zu der Auffassung, daß die Wilbet eine Darstellung des Mondes und damit wohl zugleich eine Göttin des Wetters sein soll. Es ist ja bekannt, daß man wie früher auch heute noch glaubt, das Wetter nach den Mondphasen beurteilen zu können. Der Mond hatte ehedem für die Menschen aber auch noch eine andere wichtige Bedeutung. Er war ihr Zeitmaß. Deshalb rechnete man ja auch nach Nächten. Aus wil oder wiel wurde die Weil. Von einer Mondphase zur nächsten hatte man die Kurzweil, von gleicher zu gleicher Phase die Langweil. Die bekannten biblischen Alter, z. B. das des Methulasem, hängen sicherlich damit zusammen, daß man das Lebensalter nach Langweilen berechnete.

In der zweiten Silbe bit oder bede der vorgenannten Namen glauben die Forscher das keltische Wort für ewig und immerwährend sehen zu dürfen. Die drei Beten sind dann die 3 Ewigen oder immerwährenden und deuten hin auf die fortdauernde Lebensmöglichkeit, die Erde, Sonne und Mond den Menschen zu geben vermögen.

Wenn die Frauengestalten auf den Bildwerken nun Sonne, Mond und Erde versinnbildlichen, dann haben wir auch eine Erklärung dafür, daß die Mütter fast immer in der Dreierzahl dargestellt sind. Wir können dann auch verstehen, warum zwei der Matronen eine runde Kopfbedeckung tragen. Es sind die für die Menschen schon in der Frühzeit erkennbaren runden Formen von Sonne und Mond, während man die Mutter Erde barhäuptig, scheiteltragend darstellte, weil die Kugelgestalt der Erde damals noch nicht allgemein bekannt war.

Auch die Tatsache, daß die mittlere Matrone einen Scheitel trägt, dürfte nicht gerade zufällig sein. In den ältesten Zeiten traten in Indien die Mädchen erst erwachsen in die Ehe. Allmählich wurde aber das Heiratsalter herabgesetzt, und damit erfolgte auch eine Zweiteilung des Heiratszeremoniells. Den letzen Teil verschob man bis zum Eintritt der Reife, und dazu gehörte die Haarscheitelung, die dann im Lauf der ersten Schwangerschaft geschah. Der junge Gatte nimmt diese Handlung an seiner Frau vor mit einem mit drei weißen Flecken versehenen Stachel des Stachelschweines. Nachher wird ihr ein Zweig mit unreifen Udumarafrüchten (eine Feigenart) umgebunden. So wurde die Haarscheitelung zu einer Schwangerschaftszeremonie und durch das Fruchtbarkeitssymbol erweitert, das ursprünglich nicht dazu gehörte. Dieser Brauch ist offenbar die altindische Form eines früher weit verbreiteten Haaropfers der heiratenden jungen Frau, an dessen Stelle auch bei den Germanen eine Änderung der Haartracht trat.

Zweifellos ist die Entstehung des Mütterkultes in einer weit zurückliegenden Zeit zu suchen. Die Kelten haben ihn als indogermanisches Erbe übernommen. Sicherlich hatten aber schon die Bewohner Westeuropas diesen Götterglauben kennengelernt, bevor die Kelten unser Gebiet etwa um das Jahr 500 v. Chr. erreichten.

In das Gebiet der Kelten drangen wieder germanische Stämme ein, wie z. B. die Vangionen zwischen Rhein und Nahe oder die Nemeter zwischen Saarbrücken und Straßburg. Dadurch mag der Kult äußerlich kleine Abweichungen erfahren haben, ohne jedoch in seinen wesentlichen Zügen verändert worden zu sein. Wenn Cäsar von den Germanen berichtet, sie verehrten die Sonne, den Mond und das Feuer, dann ist anzunehmen, daß Feuerbräuche damals weit verbreitet und ein Anhängsel des Mütterkultes waren. Das Feuer wurde ja nach altem Glauben vom Himmel oder von der Sonne geholt, in deren Verehrung auch das Feuer eingeschlossen ist, das dann im Kult zu den verschiedensten Zwecken Verwendung fand.

Es muß ein weiter Weg gewesen sein, den der Matronenkult durchlaufen hat. Die Inder verehrten Aditi die Erde, Surya die Sonne und Candra den Mond. Aditi, die indische Gottesmutter, ist zugleich die Göttin der Erde, wie bei den Kelten die Dana und zur Römerzeit die Ana. Ob und in welcher Beziehung die Verehrung der Mutter Anna z. B. in Düren zu diesem Kulte steht, ist bisher noch nicht geklärt.

Angelsächsische Missionare, darunter der hl. Willibrod, sind es gewesen, die den heidnischen Götterglauben im Rheinland und in ostwärts gelegenen Gebieten unterdrückten und wohl auch der Mütterverehrung ein christliches Gepräge zu geben sich bemühten. Wenn, was auffallend ist, die Namen der Matronen starke Anklänge an Sprachen und Vorstellungen jenseits des Ärmelkanals zeigen, dann mag manches davon auf die Tätigkeit dorther gekommener Mönche zurückzuführen sein.

Dem Bekehrer Willibrord schenkte die hl. Irmina, Äbtissin des Klosters Oeren, als Stützpunkt für seine Missionstätigkeit ein Landgut in Berg bei Floisdorf (Kr. Schleiden). Von ihr erhielt er Grund und Boden zur Errichtung des Klosters Echternach, in dem er auch begraben liegt. Das könnte uns vielleicht eine Erklärung für die Bezeichnung der 3 Frauengestalten von Auw an der Kyll sein, die neben Clotildis nach der Äbtissin von Pfalzel Adela und der vorgenannten Irmina benannt sind.

Es dürfte noch von Interesse sein, zu erfahren, daß die durch die Matronen dargestellten Himmelskörper in der ottonischen und frühmittelalterlichen Zeit auch Eingang in die christliche Kunst fanden und häufiger im Rahmen der Erlösungsszenen zu finden sind.

Nach dem Abzug der Römer kam die Kunst fast auf allen Gebieten hier im Rheinland und in den sonstigen römisch besetzten Territorien zu Erliegen, und erst Karl der Große hat sie wieder zu beleben versucht. Damals entstanden die sogenannte Palastschule wohl in Aachen, und die Adaschule, benannt nach der Mainzer Äbtissin Ada, wahrscheinlich einer Schwester des Kaisers. Dieser, von der Idee des römischen Reiches deutscher Nation fasziniert, hielt die Schulen an, die römische Kunst wieder aufleben zu lassen, und so schuf man damals viele Werke, die mit Blumen- und Tierornamenten überladen lediglich farbige Abbildungen des Natürlichen sind. Vorherrschend ist das sakrale Bild. Eine Änderung trat erst zur Zeit der Ottonen ein, als ein leichter byzantinischer Einschlag den Darstellungsbereich der vorgenannten sowie auch der Kölner und anderer Schulen ausdrucksvoller und freier gestaltete. Man griff dann auch auf die alten Kultsymbole zurück.

Damals entstanden in den klösterlichen Schreibstuben weltberühmte Illustrationen zu biblischen Texten, hochvollendet in der Kraft unmittelbaren Ausdrucks. Dabei erscheinen Sonne, Mond und Erde mit Land und Ozean, Gottheiten der Urvölker, häufig in der Gestaltung besonderer Szenen, namentlich der Kreuzigungsdarstellungen.

Aus der ansehnlichen zahl noch in den Schatzkammern der Dome und Klöster oder in Privatbesitz befindlicher derartiger Malereien seien zwei als Beispiele angeführt.

Da gibt es den sogenannten Hitda-Codex. Der aus dem 1. Viertel des 11. Jahrhunderts stammt. Es ist ein Evangeliar, das die Äbtissin Hitda der Vorsteherin des Klosters in Meschede schenkte, eine Arbeit der Kölner Schule.

Auf dem Bilde ist die Kreuzigungsszene als Dreiergruppe dargestellt. Diese Anordnung in der Kunst geht zurück auf die 3 als heilige Zahl, die von der christlichen Kirche aus älteren Kulturen übernommen wurde. So ist in der altchristlichen Kunst das Geheimnis der Dreifaltigkeit mit den Buchstaben Alpha und Omega versinnbildet, die wieder aus je drei Strichen bestehen. Wir wissen von den drei Jünglingen im Feuerofen, den 3 Magiern, den 3 Jenseitsreichen, den 3 Grundtugenden usw., wie wir aus dem Vorstehenden auch die 3 Matronen oder die 3 hl. Jungfrauen kennen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sich die 3 als heilige Zahl aus der uralten Verehrung von Sonne, Mond und Erde herleitet.

Die Darstellung auf dem Bilde zeigt neben dem Gekreuzigten seine Mutter und den Jünger Johannes. Unten ist die bewachsene Erde mit Bergen und Tälern dargestellt und oben, rechts und links neben dem Kreuze, befinden sich zwei Köpfe, von denen der eine als SOL (=Sonne), der andere als LUNA (=Mond) bezeichnet ist.

Dann sei noch verwiesen auf den Codex Aureus von Echternach, dessen in Trier hergestellten Deckel seit dem Jahre 1955 das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt. Vor den Heeren der französischen Revolution flüchtende Mönche hatten das Buch von Echternach über Mainz nach Erfurth gebracht, wo es im Jahre 1801 von dem Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Altenberg angekauft wurde. Durch Erbgang gelangte es in den Besitz der Linie Coburg-Gotha. Diesen Prunkdeckel aus Elfenbein, mit Edelsteinen, Perlen und Gold reichlich verziert, war ein Geschenk der aus Byzanz stammenden Kaiserin Theophanu und ihres Sohnes Otto III. an das Kloster Echternach, wonach dann die Zeit seiner Herstellung zwischen den Jahren 983 und 991 gelegen haben muß.

Während die stark zerdrückten Goldreliefs, die links oben Maria über dem hl. Willibrord, darunter den hl. Benedikt über Kaiser Otto III., auf der anderen Seite oben den hl. Petrus über dem Apostel Bonifatius und darunter den hl. Liudger und die Kaiserin Theophanu zeigen, nur schwer erkennbar sind, ist das Mittelstück noch sehr gut erhalten.

Wieder ist es eine Darstellung der Kreuzigung die Dreiergruppe Jesus mit den beiden Soldaten Longinus und Stephaton. Oben neben dem Kreuze erkennt man in rundlichen Rahmen links die Sonne und rechts den Mond. Unter dem Kreuze, wohl als Trägerin, hockt eine scheiteltragende Frauengestalt, ähnlich so dargestellt wie die mittlere Matrone auf den Weihesteinen, und darüber liest man auf einem Schildchen TERRA (=Erde).


Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1967







Zurück zu Karmantan




© Copyright karmantan.de