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Der Kreuzweg und die Wegekreuze
von Konservator Peter Hörter Mayen





Wer mit offenen Augen unsere Heimatfluren durchwandert, dem wird es schon aufgefallen sein, daß so viele und gerade die ältesten Bildstöcke, Wegekreuze und auch Kapellen an Wegekreuzungen und Gabelungen stehen. Und gerade an den ältesten, oft in römische Zeit zurückgehenden, finden sich die meisten und gewöhnlich auch die ältesten. Besonders viele recht alte Bildstöcke und Kreuze finden wir an den Straßen im Kreise Mayen, welches wohl daher kommt, daß die meisten aus dem wetterfesten Basaltlava hergestellt sind 1). In der Umgebung von Mayen stehen unter anderen alte Bildstöcke an sicher schon in römischer Zeit vorhandenen Straßenkreuzungen bei Hausen und Berresheim, beide ohne Jahreszahl, aber der Form nach gehören sie sicher der frühgotischen Zeit an. Dann das Golokreuz bei Thür vom Jahre 1472 und das Genovevakreuz bei Obermendig mit Jahreszahl 1462. An Hand der im Jahre 1923 von Museumskustos Jos. Hagen, Bonn, herausgegebenen Karte, „Die Römerstraßen der Rheinprovinz“ ließen sich sicher auch für andere Gegenden noch eine große Anzahl feststellen, welche an solchen schon in römischer Zeit bestandenen Straßenkreuzungen oder Gablungen stehen. Allerdings stehen auch an anderen Stellen längs den Straßen Bildstöcke und Kreuze, besonders an alten Wallfahrtswegen, aber öfter hat es sich bei zufälligen Grabungen herausgestellt, daß dort, wo die ältesten stehen, in früherer Zeit doch eine Kreuzung oder Gabelung vorhanden war. Suchen wir nun nach der Ursache, warum gerade diese Stellen zum Aufrichten von Bildstöcken, Kreuzen und Kapellen bevorzugt wurden, so müssen wir schon in die heidnisch-römische Zeit zurückgehen.

Aus römischer Zeit wissen wir und dies ist durch Funde und Inschriften bezeugt, daß die Römer an Straßengabelungen und –Kreuzungen Weihesteine der Wegegöttinnen, Biviae, Triviae und Quadriviae aufstellten, und vor diesen Opfer darbrachten und um glückliche Beendigung der Reise beteten. Einmündungen von Ortswegen in Reichsstraßen sind bivae, Straßengabelungen triviae, und Straßenkreuzungen quadriviae 2).

Weihesteine an die Wegegöttinnen fanden sich in der Rheinprovinz bei Kruft, Coblenz, Zülpich und Köln. An den Straßen standen aber auch Weihesteine an die Epona, die Beschützerin der Pferde und Maultiere, an den Handelsgott Mercuirus usw. Auch Reste von römischen Kapellen sind schon öfter an Straßen aus dieser Zeit aufgedeckt worden, so ein Merkurtempelchen im Stadtwalde von Coblenz, bei Osterspay und an der Straße unterhalb Andernach.





Als nun nach dem Untergang des römischen Reiches die Franken unsere Gegend eroberten und nach der Bekehrung Chlodwigs im Jahre 496 das Christentum annahmen, war damit das Heidentum noch lange nicht ausgerottet, denn das Volk opferte noch lange Jahrhunderte im geheimen seinen alten Göttern auf Bergeshöhn, in hl. Hainen, an den Kreuzwegen. Und gerade an letzteren Stellen muß noch recht lange den Göttern geopfert worden sein, denn alle erhaltenen Quellen der christlichen Bekehrer nennen die Kreuzwege als Stätten heidnischer Götterverehrung 3); so Martin von Braccar, gestorben 580, Eligiris von Royon, gestorben 650 und Bischof Burchard von Worms, gestorben 1024. Letzterer bedroht alle mit schweren Kirchenbußen, welche an Kreuzwegen eine Kerze oder Fackel anzünden zur Verehrung des Ortes, oder Brot oder eine andere Opfergabe dorthin gebracht haben. „Machet keine Glieder aus Holz, um sie an Kreuzwegen anzubringen, denn sie können euch keine Heilung bringen,“ mahnt der hl. Pirmin. Auch aus noch späteren Zeiten sind Mahnungen der Geistlichkeit an die Gläubigen zur Abstellung heidnischer Gebräuche bekannt.

Rechts: Golokreuz bei Thür
(Aus dem Jahre 1472).





Aus obigem geht genügend hervor, daß lange Jahrhunderte die Mahnungen der Kirche wenig genützt haben; deshalb ging die Kirche schon früh dazu über, an den alten Götterverehrungsstätten Kirchen und Kapelle zu bauen und Bilder der Heiligen und Kreuze aufzustellen, wie dies durch Funde schon oft bewiesen wurde. Schon Papst Gregor der Große verordnet im Jahre 601 in einem Briefe an Abt Millitus, „man solle die hl. Stätten der zu bekehrenden Völker nicht zerstören, sondern deren überlieferte Ehrfurcht für diese Stätten geradezu benutzen, um den an diesen Stellen bestehenden Gottesdienst zu verchristlichen, und den wahren Gott an Stelle der Heidengötter setzen“ 4)

In der Lebensbeschreibung des hl. Martin heißt es: „Wo er ein Heiligtum der Abgötter zerstört hatte, baute er sofort eine Kirche oder ein Kloster.“ Nach allen diesen angeführten Zeugnissen ist es uns leicht zu verstehen, warum gerade an den Wegekreuzungen so viele alte Bildstöcke, Kapellen und Kreuze stehen. Hier waren heidnische Götterverehrungsstätten und deshalb wurden hier nach Entfernung der Götterbilder und Weihesteine, Kapellen, Bildstöcke und Kreuze aufgerichtet. Auch brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn in verschiedenen, oft ganz entfernt von den nächsten Ortschaften, oder in abgelegenen Kapellen und Wallfahrtskirchlein bis in die heutige Zeit hinein uns öfter etwas sonderbar anmutende Opfergaben dargebracht werden, welche wenigstens zum Teil auf heidnische Gebräuche zurückgehen.

Es wird deshalb nicht uninteressant sein, hier einige Opfergaben, wie sie zum Teil bis vor kurzer Zeit, zum Teil heute noch in unserer Gegend in Kirchen und Kapellen dargebracht wurden und noch werden. Diese ließen sich bei näherem Nachforschen noch bedeutend vermehren.

In der Kapelle zu Meiserich bei Ulmen wurden bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts als Opfer Hafer in einen Kasten, welcher im Innern der Kapelle angebracht war, gelegt. Um 1650 wurden auch Schweinsköpfe dort geopfert. Letztere oder Teile vom Kopf, Kiwelcher wie der Eifler sagt, wurden auch geopfert in der Kapelle zu Drisch bei Lutzerath, ebenfalls zu Düngenheim bei Kaisersesch. In letzterer Kirche wurde der hl. Antonius, Abt, als Schutzpatron der Schweinezüchter und der Schweine verehrt. In einer dem hl. Wolfgang geweihten Kapelle bei Kehrig werden heute noch das ganze Jahr hindurch Eier geopfert. Die Opfergaben erhielt zum Teil der Pastor, zum Teil wurden sie zur Renovierung der Kapellen verwendet und zum Teil verkauft und Messen von dem Erlös gelesen. In der Wallfahrtskapelle St. Jost im Nitztale werden wie noch an vielen anderen Wallfahrtsorten von den Pilgern Körper, Arme, Beine, Augen usw. aus Wachs geopfert; je nachdem man die Heilung dieser erkrankten Gliedmaßen durch die Fürbitte des dort verehrten hl. Jodokus erhofft. Letzterer Brauch reicht sicher ins Heidentum zurück, wie viele Funde aus Frankreich in Tempelresten der römischen Zeit zur Genüge beweisen 5).

Auch dort wurden in kleinem Format Körper und Körperteile aus verschiedenem Stoff gefunden, welche als Weihegabe den Göttern geopfert wurden. Dieser Brauch wurde übrigens zur Zeit Karls des Großen von der christlichen Geistlichkeit und im 11. Jahrhundert von dem schon herangezogenen Bischof Burchard von Worms in seinen Bußbüchern bekämpft. Dort heißt es, daß es abergläubisch und verboten sei, kleine Nachbildungen von menschlichen Gliedern, von Tieren usw. zu opfern, in der Hoffnung, dadurch Heilung von Krankheiten an den so abgebildeten Gliedern oder Tieren zu erlangen.

Aber alle Verbote konnten bis zur Neuzeit hinein dem Volke nicht den Aberglauben nehmen, daß es an alten Götterverehrungsstellen, besonders an Kreuzwegen spukte. Dort treiben böse Geister und Dämone, wozu die heidnischen Götter jetzt gemacht wurden, ihr Unwesen, und hier ist der Sammelplatz der nicht zur ewigen Ruhe gekommenen Seelen.

Viele Gebräuche aus neuerer Zeit, welche an Kreuzwegen anknüpfen, ließen sich hier noch anführen, zum Beispiel, daß man das Geschirr, welches ein Verstorbener gebraucht hat, an einen Kreuzweg wirft, oder beim Begräbnis wird der Sarg an einen zu überschreitenden Kreuzwege eine Weile niedergestellt. Auf dem Maifelde war der Glaube verbreitet, daß man um Mitternacht auf einem Kreuzwege durch bestimmte Worte den Teufel beschwören könne, einem ein Mittel zu bringen, mit dessen Hilfe man durch die Luft fahren könne. Wie mir erzählt wurde, hat noch m die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Man aus Mayen um die Mitternachtsstunde auf einer Wegekreuzung ein Feuer angezündet, in dem Glauben, der Teufel würde ihm Geld bringen.

In späteren Zeiten wurden immer noch längs den Wegen und an anderen Stellen als die Gabelungen Kreuze aufgestellt, zum Teil an Wallfahrtswegen zur Erfüllung eines Gelübdes, oder an Unfallstellen, aber die ältesten Standorte waren die Wegegabelungen. Wie die ältesten noch erhaltenen, wenigstens für unsere Gegend, lehren, waren diese kleine Kreuze mit dem leidenden Christus, sondern Bildstöcke mit Nischen, in welche meist eine Pieta aufgestellt wurde. Das älteste hier noch erhaltene Kreuz mit Kruzifixus steht am Wege Roes - Schwanenkirche auf dem Maifeld mit Jahreszahl 1551.

Abgesehen von dem Aberglauben, der an den Kreuzwegen getrieben wurde, sind es uralte Kultstätten, zuerst der Heiden und später der Christen. Wir haben also alle Ursache, die heute noch stehenden Bildstöcke und Kreuze, so viel wir können, vor Zerstörung zu schützen und die umgefallenen wieder aufzurichten, nicht nur aus Ehrfurcht vor diesen alten religiösen Denkmälern sondern auch, weil sie, wenigstens zum Teil, recht gute Beispiele alter Volkskunst darstellen.

Anmerkungen:

1) Wer sich dafür interessiert, verweise ich auf die Arbeit von Friedr. Hörter, „Wegekreuze aus der Umgebung von Mayen.“ Zeitschrift für Heimatkunde, Jahrg. 15, 1921.
2) Jos. Hagen, „Die Römerstraßen der Rheinprovinz“.
3) E. Jung, „Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit“.
4) Jung, „Germanische Götter und Helden“.
5) Letzterer Hinweis verdanke ich Herrn Dr. Berens, Zentral-Museum Mainz, welcher mir Abbildungen der Fundstücke einsandte.





Aus: Eifelvereinsblatt, 15. Jahrgang 1924, S. 63, Herausgegeben vom Haupvorstande des Eifelvereins, Verantwortlicher Schriftleiter Rektor M. Zender, Bonn, Stadtarchiv Düren ZB29, 25/26, 1924/25

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